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Im Zuge der Zielumsetzungen des neuen LIFE Projektes sollen weitere Waldrappkolonien aufgebaut werden. Die Auswilderung von Jungvögeln ist ein essentieller Bestandteil dieser Koloniegründungen.

 

Handaufzucht

Dank des europäischen Erhaltungszuchtprogrammes für Waldrappe und dem damit verbundenen Monitoring der Zoopopulation, können Küken mit hoher genetischer Variabilität für die Auswilderung ausgewählt werden. Im Zuge des neuen LIFE Projektes sind mindestens fünf Handaufzuchten mit je rund 30 Tieren geplant. Die Jungvögel werden im Alter von zwei bis acht Tagen aus Nestern von Zookolonien entnommen und bei zwei Zieheltern in die Handaufzucht gegeben. In der Regel finden die ersten Handaufzuchtstage in einer zoologischen Einrichtung statt, wo den Zieheltern bei ihrer Arbeit zugesehen werden kann. Der Altersabstand der Küken sollte weniger als 10 Tage betragen, damit das Level der Zöglinge beim späteren Training möglichst einheitlich ist. Es wird während der Aufzucht streng darauf geachtet, dass die Jungvögel ausschließlich Kontakt mit den Zieheltern haben, um eine spezifische Prägung zu gewährleisten. Gelbe Oberbekleidung und der bekannte Ruf „Komm, Waldi! Komm, komm!“ helfen den Vögeln später, ihre Bezugspersonen auch aus der Ferne zu erkennen. Die Aufzucht findet nach einem detaillierten Plan statt, in den Erfahrungen aus nunmehr fast 20 Jahren Handaufzucht einfließen.

Trainingscamp

Kurz bevor sie im Alter von etwa sechs Wochen flügge werden, ziehen Küken und Zieheltern in ein mobiles Trainingscamp nahe dem Koloniestandort um. Wenn alle Zöglinge in ihrem neuen Zuhause flügge geworden sind, beginnt für sie das Flugtraining. Sie müssen lernen, dem motorbetriebenen Ultraleicht-Fluggerät mit Paraschirm zu folgen, welches sie im Spätsommer in die Toskana führen wird. Dafür werden sie zunächst an die Maschine, die Motorengeräusche und den großen Schirm gewöhnt, bevor sie lernen, ihre Zieheltern damit in Verbindung zu bringen. Erst dann folgen sie den Fluggeräten, in denen die Zieheltern als Kopiloten mitfliegen, zuverlässig. Die Trainingsflüge finden drei- bis viermal pro Woche in zunehmendem Radius rund um das Camp statt. Gegen Ende werden sie bis auf zwei Stunden Flugzeit ausgedehnt und auch kurze Zwischenlandungen werden geprobt.
In der Regel kann das Trainingscamp besucht werden. Aktuelle Informationen dazu finden Sie auf der Seite des Waldrappteams.

Menschengeführte Migration

Je nach Wetterlage bricht das Flugteam aus Menschen und Vögeln etwa Mitte August Richtung Süden auf. Zwei Fluggeräte mit je einem Piloten und einem Ziehelternteil begleiten die Vögel dabei auf ihrer rund 1000 km langen Reise. Der Zeitpunkt des Abflugs wird durch die einsetzende Zugunruhe unter den Vögeln bestimmt. Diese lässt sich durch Gewichts-, Verhaltens- und Hormondaten bestimmen.

Eine durchschnittliche Tagesetappe während der Migration beträgt rund 180 km mit einer mittleren aktiven Fluggeschwindigkeit von 45 km/h. Bei idealen Bedingungen fliegt das Team sogar bis zu sieben Stunden und 350 km am Tag. Insbesondere im Vergleich zu den ersten geführten Migrationen ist diese Entfernung beachtlich, betrug sie doch vor 20 Jahren nicht mehr als 30 km täglich! So kann die Zugstrecke heute in fünf bis sieben Flugtagen zurückgelegt werden. Bei mindestens einem Pausentag zwischen den einzelnen Etappen dauert die menschengeführte Migration (HLM= human-led migration) so im Mittel etwas mehr als zwei Wochen. Bei ruhigen Bedingungen, fliegen die jungen Waldrappe in energiesparender Formation. Setzt jedoch Thermik ein, nutzen sie die aufsteigenden Winde um in die Höhe zu kreisen und dann im Gleitflug zur nächsten Thermikblase zu segeln. Den Piloten verlangt es einiges an Routine und Erfahrung ab, unter den herausfordernden thermischen Bedingungen Kontakt zu den Vögeln zu halten und sie so zuverlässig zu führen. Das alternierende Kreisen und Segeln ist die mit Abstand effizienteste Flugtechnik für die Vögel und ermöglicht ihnen, große Distanzen ohne Pause zurückzulegen. Lediglich zum Auftanken der Fluggeräte ist jetzt noch die ein oder andere Zwischenlandung nötig.

Damit die HLM reibungslos abläuft, ist ein großer logistischer Aufwand von Nöten. Begleitet wird das Team in der Luft durch mehrere Fahrzeuge und Anhänger am Boden. So muss beispielsweise die mobile Voliere transportiert werden, in der die Waldrappe zwischen den Flügen untergebracht sind. Ein anderes Fahrzeug transportiert das portionierte und tiefgekühlte Futter der Vögel. Das Team von rund einem Dutzend Personen campiert in der Regel auf kleinen Flugplätzen und ist mit Bussen, Zelten und einer Feldküche ausgestattet.

Um die Umweltbelastung durch die Projektumsetzung zu reduzieren, sollen die Bodenfahrzeuge in Zukunft auf Elektromobilität umgestellt werden. Auch bei der ersten HLM des neuen LIFE Projektes 2022 kommen sie zum Einsatz. Für die Umstellung der Fluggeräte auf Strombetrieb gibt es vorerst keine realistischen Optionen.

Auswilderung

Nach Ankunft im Überwinterungsgebiet in Orbetello, ziehen die Vögel zur Eingewöhnung in eine Voliere im Schutzgebiet. Hier werden sie von ihren Zieheltern entwöhnt und nur mehr durch regionale Mitarbeiter mit Unterstützung der WWF Oasi versorgt. Da sich im Überwinterungsgebiet ganzjährig Waldrappe aufhalten, kommen sie hier auch in Kontakt mit wilden Artgenossen. Nach ein paar Wochen kann dann die Auswilderung stattfinden.
Die Auswilderung erfolgt als sogenannter „soft-release“ und in Anwesenheit der Zieheltern. Dabei werden die Vögel in kleinen Gruppen von fünf bis zehn Vögeln mit ihren wilden Artgenossen vergesellschaftet. Bis zur Geschlechtsreife zu Beginn des dritten Lebensjahres bleiben die meisten ausgewilderten Vögel im Überwinterungsgebiet und ziehen nur vereinzelt Richtung Norden.

GPS-Besenderung

Bevor sie in der Toskana in die Selbständigkeit entlassen werden, bekommt jeder handaufgezogene Vogel einen GPS Sender. Auch die Jungvögel in den Brutkolonien werden nach Möglichkeit damit ausgestattet. Die Sender sind solarbetrieben und sitzen auf dem Vogelrücken am Ansatz der Hinterbeine. Ein wesentlicher Teil der Waldrapp-Population ist inzwischen mit den Sendern ausgestattet, die umfangreiche Daten zum Raum-Zeit-Verhalten der Population liefern. Sie ermöglichen grundlegende Forschung zum Vogelzug und helfen bei der Klärung von Todesursachen. Die Leistung der Sender ist von der Sonneneinstrahlung abhängig. Die Intervalle von Standortspeicherung und Übermittlung können für jedes Tier nach Bedarf individuell angepasst werden. Die Daten werden an eine Forschungsdatenbank gesendet und in der frei verfügbaren App Animal Tracker allgemeinverständlich visualisiert. Die Bewegung einzelner Vögel kann so nahezu in Echtzeit nachverfolgt werden. Ein Missbrauch der Daten für illegale Jagdaktivitäten konnte bislang nicht festgestellt werden. Die Veröffentlichung ihrer Aufenthaltsorte scheint vielmehr dem Schutz der Vögel dienlich.

Prägung

Bei der Handaufzucht von Vögeln wird üblicherweise sehr darauf geachtet, dass die Jungvögel nicht „menschengeprägt“ werden. Bei der Waldrapp-Wiederansiedlung wird das sogar forciert: Die Nestlinge werden aus Zoohaltung geholt, bevor die Elternprägung mit etwa zwei Wochen abgeschlossen ist. So kann diese nämlich auf die menschlichen Zieheltern erfolgen, und nur dadurch folgen ihnen die Tiere, wenn sie in den Fluggeräten sitzen. Und zwar ausschließlich ihnen, denn es ist keine allgemeine Fixierung auf Menschen, sondern auf genau die beiden Zieheltern, die von den Vögeln auch noch nach Jahren erkannt werden.

Die zweite wichtige Prägungsform, die sexuelle Prägung, erfolgt dagegen auf ihre Artgenossen. Ein isoliert aufgezogener Waldrapp mit ausschließlich menschlichem Kontakt hält sich selbst für einen Menschen und kann mit seinesgleichen nichts anfangen – er ist tatsächlich fehlgeprägt und für die Zucht ungeeignet. Die in der Gruppe aufwachsenden Handaufzuchten entwickeln sich dagegen normal, zeigen zur Fortpflanzungszeit nur Interesse für ihresgleichen und ziehen ihren Nachwuchs problemlos auf.